Für viele und wilde Streiks!

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Photo: Eric Roset

Es gibt keine «Migrationskrise», weder in der Schweiz noch anderswo. Stattdessen gibt es die tatsächlichen Krisen, die Migration antreiben – Krisen wie Kapitalismus, Krieg und der Klimanotstand - und von Europa geschaffene Krisen an den Grenzen, die zur Rechtfertigung weiterer Grenzsicherung und Gewalt benutzt werden.

 

Was wir verstehen müssen, ist, dass Migration eine Form der Wiedergutmachung ist. Migration ist eine Abrechnung mit der globalen Gewalt. Es ist kein Zufall, dass die große Zahl der heutigen Migrant:innen und Flüchtenden schwarze und braune Menschen aus armen Ländern sind, die durch über Jahrhunderte andauernden Imperialismus, Ausbeutung und erzwungene Unterentwicklung arm geworden sind. Dabei besteht eine enge Verbindung zwischen der Ausbeutung in der Welt und Migration: Immer mehr Menschen werden aufgrund von kolonialen Handelsabkommen, Bergbau, Abholzung und Klimawandel von ihrem Land vertrieben.

 

Die herrschenden Oligarch:innen befürchten derweil, dass die wirtschaftliche und soziale Not, die durch Inflation, stagnierende Löhne, Sparmaßnahmen, die Pandemie und die Energiekrise verursacht werden, für Dutzende Millionen Menschen unerträglich werden. Vertreter:innen wie Kristalina Georgieva, geschäftsführende Direktorin des Internationalen Währungsfonds (IWF), oder NATO-Generalsekretär Stoltenberg, warnen alarmiert vor der Gefahr sozialer Unruhen.

 

Soziale Unruhen sind ein Codewort für Streiks - die wichtigste Waffe, die die Arbeiter:innen besitzen. Richtig eingesetzt, können sie die wirtschaftliche und politische Macht der Milliardärsklasse lähmen und zerstören. Streiks sind das, was sie am meisten fürchten. Mit Hilfe von Gerichten und Polizeieinsätzen versuchen sie, Arbeiter:innen daran zu hindern, die Wirtschaft lahm zu legen. Diese sich abzeichnenden Kämpfe sind entscheidend. Wenn wir beginnen, die Macht der Unternehmen durch Streiks zu brechen, können wir beginnen, die Kontrolle über unsere Leben zurückzugewinnen. 

 

Damals wie heute

Die Mächtigen von heute sind genauso bösartig und geizig wie jene der Vergangenheit. Sie werden mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln kämpfen, um Aufbegehren zu unterdrücken. Als der russische Philosoph Alexander Herzen vor einer Gruppe von Anarchist:innen darüber sprach, wie der Zar zu stürzen sei, erinnerte er seine Zuhörer:innen daran, dass es nicht ihre Aufgabe sei, ein sterbendes System zu retten, sondern es zu ersetzen: "Wir sind nicht die Ärzte. Wir sind die Krankheit."

 

Es ist Energieverschwendung, zu versuchen, das System der Konzernmacht zu reformieren oder an Konzerne und ihre Vertreter:innen zu appellieren. Wir müssen uns organisieren und streiken. Die Mächtigen aus Politik und Wirtschaft haben nicht die Absicht, Macht oder Reichtum freiwillig zu teilen. Sie tragen die rücksichtslosen und mörderischen Taktiken ihrer Vorfahren weiter. Deshalb müssen wir uns auf den Widerstand unserer eigenen zurückbesinnen. Ich rufe zu zivilem Ungehorsam auf. Ich bin der Meinung, dass die Herrschenden immer Angst vor der Macht des Volkes haben sollten. Doch das erreichen wir nur durch eine unaufhaltsame Organisation, kollektive Präsenz und gemeinsame, widerständige Arbeit – am 14. Juni und darüber hinaus. 

 

Selam Habtemariam, Migrant Solidarity Network