Berichte der Flucht

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Transpi "Bewegungsfreiheit für alle" bei der Demo in Bern

An der Demonstration für Bewegungsfreiheit am 30. März 2024 wurde die Kampagne #StopDublinKroatien von den Organisator:innen gebeten, das Wort zu ergreifen. Wir geben hier die beiden Erfahrungsberichte wieder, die auf dem Bundesplatz verlesen wurden.

 

Jassi Lokendé (Aliasname)

Von meinem Heimatland aus habe ich es bis nach Griechenland geschafft. Dort konnte ich eine Arbeit finden. Aber schon bald nutzte mich mein Chef aus. Als ich protestierte, hielt er mich eine Woche lang gefangen. Ich habe mich aufgeregt und die Polizei warf mich für einen Monat ins Gefängnis. Das Rote Kreuz, das die Gefängnisse besuchte, erreichte, dass ich wegen der Verletzung, die ich am Bein hatte, ins Krankenhaus gehen konnte. Vom Krankenhaus aus entschied ich, mich wieder auf den Weg zu machen.

 

Ich reiste mit meiner Schwester und meiner Nichte. Meine Schwester war Epileptikerin und hatte eine Knochenkrankheit, die täglich die Einnahme von Medikamenten erforderte. In einem der Länder auf der Balkanroute wurde sie ins Gefängnis geworfen. Da sie keine medizinische Versorgung erhielt, starb sie. Bis heute habe ich nichts mehr von meiner Nichte gehört.

 

Ich musste mich allein wieder auf den Weg machen. In Kroatien wurde ich nach dem Grenzübertritt ins Gefängnis geworfen. Dort blieb ich drei Monate lang. Jeden Tag wurde ich gedemütigt, geschlagen und verletzt. Ich hatte einen Anfall und musste im Krankenhaus behandelt werden. Danach hat mich das Krankenhaus entlassen. 

 

Ich bin in die Schweiz gekommen. Das war von Anfang an mein Plan, da ich hier eine Vertrauensperson habe, die mich unterstützen kann. Aber ich habe einen negativen Dublin-Entscheid erhalten. Die Schweiz will, dass ich nach Kroatien zurückkehre. Das kommt für mich nicht in Frage.

 

Cédric Thomas (Aliasname)

Trotz meines jungen Alters habe ich schon viel erlebt. Es sind so viele Tränen geflossen, aber ich möchte trotzdem reden.

 

Ich bin 19 Jahre alt, seit 18 Jahren bin ich auf mich allein gestellt und muss mich durchschlagen. Ich kämpfe allein, um ein besseres Leben zu finden.

 

Wenn ich so dastehe und darüber nachdenke, verliere ich die Nerven, fühle mich einsam und von allen verlassen. Mein Zwillingsbruder, der einzige Bruder, den ich hatte, ist im Mittelmeer ertrunken. 

 

Es ist ein Schmerz, der immer tief in meinem Herzen bleiben wird, so wie meine Eltern, die mich verlassen haben. Ich vermisse die Liebe meiner Eltern, die Wärme einer Familie. 

 

Mein Bruder und ich hatten grosse Pläne. Er wollte Fussballer werden und ich Boxer. 

 

Auf meiner Reise war ich in Tunesien und dachte, dass mein Leben dort enden würde. Ich sass zwei Monate lang im Gefängnis. Jeden Tag Drohungen, Gewalt, es war die Hölle auf Erden. Ich verstehe nicht, wie Menschen andere Menschen so behandeln können. Als ob wir Ausserirdische wären.

 

Freunde haben mir geholfen, sie haben mir ermöglicht, die Hoffnung nicht zu verlieren. Sie haben mir gesagt, dein Tag wird kommen, das ist unausweichlich, aber es ist noch nicht soweit. Durch die Gnade Gottes und die Unterstützung meiner Freunde habe ich es bis nach Europa geschafft. Dank ihnen bin ich am Leben. Aber ich habe alles verloren.

 

Ich habe vier Monate in Italien verbracht. Jeden Tag gab es Drohungen, Kämpfe und ich habe viel Blutvergiessen gesehen. Ich konnte dort nicht bleiben, mein Leben konnte dort nicht enden. Ich brauchte ein anderes Land, um zu leben, um ein Bleiberecht zu haben, um zu arbeiten. 

 

Ich bin jetzt seit sieben Monaten in der Schweiz und wurde gut aufgenommen. Ich fühle mich sicher, ich fühle mich sicherer als in meinem ganzen Leben. Mein Wunsch ist es, hier zu bleiben, eine Familie zu gründen und Träume zu haben.