Chiesas parlamentarische Eingaben: ein Misstrauensbeweis!

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Schwarzes argumentatives Loch

Verwechselt SVP-Präsident Marco Chiesa das Parlament mit einer Werbetafel?  Sein Antrag "Nein zu einer 10-Millionen-Schweiz", der den SVP Top-Slogan aufgreift, ist in Wirklichkeit eine leere Hülse. Der Antrag fordert eine Umsetzung der Volksinitiative gegen "Masseneinwanderung", obwohl das Ausführungsgesetz bereits seit mehreren Jahren existiert, welches sich nicht nur an den rassistischen Forderungen der SVP, sondern auch an der Einhaltung der von der Schweiz abgeschlossenen internationalen Verträgen orientiert. Hinzu kommt, dass die von der SVP gegen die berühmte "10-Millionen-Schweiz" vorgebrachte Argumentation auf einer falschen Tatsachenbasis beruht, wie das Wirtschaftsmagazin l'Agefi kürzlich aufgezeigt hat.

Chiesas zweiter Antrag für diese Session könnte, wenn er nicht so gefährlich wäre, nur als grotesk angesehen werden. Unter dem Deckmantel eines "Paradigmenwechsels in der Asylpolitik" und dem hochtrabenden Versprechen, "Schlepper und Kriminalität zu bekämpfen", will er das Asylrecht auf europäischem Boden abschaffen, indem er die Asylverfahren "ins Ausland" verlagert. Diese Idee ist nicht neu. Sie wurde kürzlich von Dänemark vorgeschlagen. Die Europäische Union distanzierte sich sofort davon. Es ist immer ein Dilemma mit den üblen Ideen der extremen Rechten, dass man nicht weiss, was man tun soll: Sie totschweigen, um ihnen nicht noch mehr Sichtbarkeit zu verleihen, oder sich ihnen kategorisch widersetzen. Denn Richtungswechsel können sehr schnell eintreffen. Der Beweis: Die Sozialdemokrat:innen in Dänemark haben der Idee der Auslagerung zugestimmt, das Vereinigte Königreich hat nachgezogen, die Schweizer FDP hat bei der letzten Parlamentssession in der Schweiz das Gleiche vorgeschlagen und die österreichische Regierung hat kürzlich erklärt, dass sie diesen Weg ebenfalls einschlagen will. Ausserdem kann der neue Europäische Migrationspakt durchaus als Zwischenschritt hin zu diesem Ziel gesehen werden. Dies zeigt, dass wir die Vorstösse rassistischer politischer Kräfte wachsam im Auge behalten müssen, denn sie schaffen es, indem sie ihre gewalttätigen Ideen immer wieder in Debatten einhämmern, diese salonfähig zu machen.

 

Den Hass ernst zu nehmen, auf seine Widersprüche hinzuweisen, seine Dummheit zu betonen und ihm einen Diskurs entgegenzusetzen, der solidarische Perspektiven eröffnet, ist der Weg, den es angesichts des Obskurantismus* der SVP und ihrer europäischen Konsorten zu beschreiten gilt.


 

*Obskurantismus verstehen wir in diesem Kontext als Bestreben, andere Menschen absichtlich in Unwissenheit zu halten und selbstständiges Denken zu verhindern.