Unter dem Vorwand, «die Anwesenheit von illegalen Migranten in der Schweiz dauerhaft zu bekämpfen und wenn immer möglich dauerhaft zu unterbinden», verlangen die beiden Motionen «Datenaustausch bei illegalen Migranten systematisieren» (24.3059 und 24.3498), dass Versicherungen und Krankenkassen Kantone und Gemeinden systematisch über den Aufenthaltsstatus ihrer Beitragszahler informieren. Der Vorschlag ist ein Frontalangriff auf die Grundrechte und geht völlig an der Realität von Menschen ohne Papiere vorbei. Vor fünf Jahren noch abgelehnt, haben die Vorstösse heute durchaus Chancen, angenommen zu werden.
Wer von «illegaler Migration» spricht, verschweigt die Tatsache, dass sie in erster Linie illegalisiert wird. Für Menschen aus nicht-europäischen Staaten gibt es nur drei Wege, um legal nach Europa zu gelangen: 1) eine qualifizierte Fachkraft in einem Wirtschaftszweig zu sein, der Fachkräfte benötigt, 2) Asyl und 3) undokumentierter Grenzübertritt mit irregulärem Aufenthalt. Man muss also entweder sehr reich und gebildet sein, verfolgt werden oder sich in eine prekäre und gefährliche Situation begeben.
Die Zahl der Personen, die mit einem irregulären Aufenthaltsstatus in der Schweiz leben, wird daher auf 100.000 geschätzt. Dabei kann es sich um Personen handeln, die mit einem Visum in die Schweiz eingereist sind, das später abgelaufen ist. Oder um geschiedene Ausländer:innen oder Opfer häuslicher Gewalt, die ihre Aufenthaltsgenehmigung verloren haben, weil sie von der des Angreifenden abhängig war, oder um Ausländer:innen die «zu viel» Sozialhilfe erhalten haben.
Wenn man die Forderungen der SVP liest, vergisst man schnell, dass es sich auch um Menschen handelt, die das Land am Laufen halten, einige von ihnen seit Jahrzehnten. Sie gehören zu denjenigen, die dafür sorgen, dass die Operationssäle in den Krankenhäusern funktionieren, dass die Kinder eine Ausbildung erhalten, dass die Mensen die Studierenden ernähren, dass Strassen, Gebäude und Infrastrukturen gebaut werden und dass sie sauber gehalten werden. Es wird vor allem vergessen, dass sie es dem neoliberalen System ermöglichen, zu funktionieren. Menschen mit unsicherem Aufenthaltsstatus sind diejenigen, die die undankbare, aber notwendige Arbeit mit Hungerlöhnen annehmen, die andere Menschen ablehnen. Die «Attraktivität der Schweiz», die die SVP beschreibt, ist die Möglichkeit, zu arbeiten und seine Kinder aufwachsen zu lassen.
Im Jahr 2020 legte der Bundesrat als Antwort auf ein Postulat der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates (SPK-N) einen Bericht vor, der insbesondere der Frage eines automatischen Datenaustauschs zwischen den Sozialversicherungen und den Migrationsbehörden nachging. Der Bericht erinnerte daran, dass Menschen ohne Papiere zahlreichen Versicherungen beitreten können oder müssen und Anspruch auf die daraus resultierenden Leistungen haben. Sie werden jedoch aus der Arbeitslosenversicherung und aus den Ergänzungsleistungen ausgeschlossen und haben keinen Anspruch auf Sozialhilfe.
Ein Datenaustausch zwischen diesen Institutionen würde dazu führen, dass Menschen ohne Papiere auch aus diesen Sozialversicherungen ausgeschlossen werden. Nach Ansicht des Bundesrates würde ein solch genereller Ausschluss gegen die internationalen Verpflichtungen der Schweiz verstossen. Darüber hinaus würden die Kosten auf das Gesundheitswesen, die Kantone und die Gemeinden abgewälzt.
Im erwähnten Bericht lehnte der Bundesrat zu unserem Bedauern auch Teil- oder Kollektiv-Regularisierungen ab, da sie seiner Meinung nach keine langfristige Lösung für den illegalen Aufenthalt darstellen würden.
Wir stimmen der SVP in einem Punkt zu, nämlich dass Lösungen gegen den illegalen Aufenthalt erforderlich sind. Unsere Perspektive ist jedoch eine völlig andere: Die einfache und realistische Lösung ist nicht das von der SVP propagierte Triptychon aus Grenzschliessung, Entrechtung und Massenausschaffung. Stattdessen muss der politische Horizont geöffnet werden und es müssen kollektive Regularisierungen, gleiche Rechte und Bewegungsfreiheit angestrebt werden.