Die SVP will das Resettlement-Programm des UNHCR aussetzen (Motionen 25.3625 und 25.3601). Dieses Programm ermöglicht es besonders vulnerablen Flüchtlingen aus Lagern ausserhalb Europas, sicher in Länder gebracht zu werden, die sich zur Teilnahme an dem Programm bereit erklären, um dort einen Asylantrag zu stellen. In der Schweiz betrifft dies nicht mehr als etwa 500 Personen pro Jahr.
Die SVP greift damit eine Massnahme an, die letztlich nur geringe Auswirkungen auf die Schweiz hat. Aber die von der Partei eingereichten und von «Asylchef» Pascal Schmid und Ständerätin Esther Friedli vertretenen Motionen erfüllen noch eine andere Funktion. Sie ist ein integraler Bestandteil der politischen Strategie der SVP: jede Gelegenheit zu nutzen, um ihre Propaganda gegen die Migration zu verbreiten und dadurch die Grundrechte anzugreifen.
Zugegebenermassen funktioniert diese Strategie ziemlich gut. Wer mitverfolgt, wie sich die Debatten zur Migration im Parlament über längere Zeit entwickelt haben, sieht, dass die grösste Partei der Schweiz einen langen Atem hat. Von ihr kommen die meisten parlamentarischen Vorstösse zum Thema Asyl. Und oft kopiert sie schlicht Vorschläge, die in früheren Sessionen bereits abgelehnt wurden. Doch diese Monopolisierung des politischen Raums zahlt sich letztlich aus, denn so kann die SVP den Leuten ihre Anti-Migrationspropaganda immer und immer wieder einbläuen. Umso wichtiger ist es, wachsam zu bleiben und die Mechanismen ihrer Argumentation zu verstehen.
Wir kommentieren im Folgenden die Motionen gegen das Resettlement-Programm, weil sie einen nahezu vollständigen Überblick über die diskursiven Strategien der SVP geben.
Falsche Zahlen
In ihrer Begründung der Motionen prangert die SVP an, dass der Bundesrat die Aufnahme von 1600 Personen beschlossen habe. Der Bundesrat korrigiert diese Zahl in seiner Antwort auf die Motionen: Es handele sich um einige Dutzend Personen in 2025 und um je 400 Personen in den Jahren 2026 und 2027, insgesamt also um etwa 850 Personen, nur etwas mehr als der Hälfte der in den Motionen genannten Zahl.
Darüber hinaus fordert die SVP, dass das Resettlement-Programm ausgesetzt wird, bis die Zahl der Personen, die sich in einem Asylverfahren befinden, unter 50'000 sinkt. Dies ist jedoch bereits der Fall, denn die Zahlen der Personen im Asylverfahren betrugen Ende 2023 18'894 und Ende 2024 17'029. Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder hat sich die Person, die den Text der Motionen verfasst hat, beim Lesen der statistischen Tabelle des SEM in der Zeile geirrt, oder sie versteht das Asylsystem nicht. In beiden Fällen ist dies beunruhigend für eine Partei, die Asyl zu ihrem wichtigsten politischen Thema macht.
Stichwort Chaos und Unsicherheit
«Ein überlastetes Asylsystem»
Die Statistiken der letzten zehn Jahre widerlegen den Eindruck, dass das Asylsystem überlastet ist. In den letzten zehn Jahren belief sich die jährliche Zahl der neuen Asylgesuche auf durchschnittlich 22'279, inklusive dem «langen Sommer der Migration» 2015, einem Rekordjahr. Das neue Asylsystem, das als Reaktion auf das Jahr 2015 eingeführt wurde, ist jedoch für bis zu 29'000 neue Gesuche pro Jahr ausgelegt. Seit der Umsetzung der Reform wurde diese Grenze nur einmal überschritten, nämlich im Jahr 2023, als das SEM 30'223 neue Gesuche meldete. Selbst dieser Wert ist jedoch irreführend, wie eine Analyse von asyl.ch zeigt. 19 % dieser neuen Gesuche waren Sekundärgesuche, d. h. sie stammten von Personen, die sich bereits in der Schweiz aufhielten, oder es handelte sich um Geburten (in 49 % der Sekundärgesuche). Zwar gab es tatsächlich Zeiten, in denen die Zahl der Willkommen zu heissenden Personen besonders hoch war, doch war dies vor allem auf mangelnde Vorausschau und Organisation zurückzuführen.
Seit 2022 hat der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine viele Menschen in die Flucht getrieben. Weit entfernt von den befürchteten chaotischen Zuständen hat sich gezeigt, dass es tatsächlich möglich ist, schnell und effizient Schutz zu gewähren. In Anlehnung an die Europäische Union wurde der Schutzstatus S eingeführt. Damit konnten fast 75'000 Menschen registriert, regularisiert und ausserhalb des regulären Asylsystems untergebracht werden. Eine Erfolgsgeschichte, von der wir uns inspirieren lassen sollten, anstatt dieses Modell zerstören zu wollen. Wer hat das vor? Genau, die SVP, die den Status S abschaffen und durch ein reguläres Asylverfahren ersetzen will. Scheinbar ergötzt sich die rechtspopulistische Partei an sich selbst erfüllenden Prophezeiungen.
Keine Kosten mehr
Das Asylwesen macht zwar 3,4 % des Bundesbudgets aus. Setzt man diese Ausgaben aber ins Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt, ergibt sich ein aussagekräftigeres Bild: dann machen sie nur 0,4 % des BIP aus. Im Jahr 2018 erklärte der Ökonom Cédric Tille: «Wenn man das Schweizer BIP mit dem Preis eines guten Essens im Restaurant vergleicht, entsprechen die Kosten für Asyl nicht einmal dem Preis für den Zucker, der zum Kaffee serviert wird.» In diesem Jahrmachte der Asylbereich jedoch noch 1 % des BIP aus. Sechs Jahre später wird das Asylbudget also nicht einmal den Preis eines halben Zuckerwürfels ausmachen. Selbst wenn sich das Budget verdoppeln würde, wäre unsere Wirtschaft dennoch nicht in Gefahr.
Mehr Kriminalität
Die SVP liebt es, die Herkunft der Menschen für die Kriminalität verantwortlich zu machen, insbesondere wenn es um Asyl geht. Aber dieser Zusammenhang funktioniert nicht wirklich. Laut dem Forscher Luca Gnaedinger ist die Zahl der registrierten Straftaten seit den 1980er Jahren tendenziell leicht rückläufig, während sich die ausländische Bevölkerung mehr als verdoppelt hat. Die ausländische Bevölkerung trägt nicht zu einem Anstieg der Kriminalitätsrate bei. Allerdings ist es richtig, dass die ausländische Bevölkerung in den Kriminalitätsstatistiken und in den Gefängnissen überrepräsentiert ist. Dies lässt sich unter anderem durch zwei wichtige Faktoren erklären. Erstens umfasst die Kriminalitätsstatistik Verstösse gegen das Aufenthaltsrecht. Diese Delikte fordern nicht nur keine Opfer, sondern können von Schweizer:innen auch nicht begangen werden. Zweitens hat die Schweiz weniger ein Problem mit der Kriminalität als vielmehr mit Strafverfolgung. Ein Blick in die Gefängnisse zeigt dies erneut: 20 % der Insassen verbüssen eine Strafe in Zusammenhang mit einem Verstoss gegen das Aufenthaltsgesetz. Im Jahr 2022 befanden sich laut Statistik 53 % der verurteilten Häftlinge nur deshalb im Gefängnis, weil sie eine Geldstrafe oder eine Geldbusse nicht bezahlen konnten. Ausländer:innen sind in dieser Kategorie überrepräsentiert, weil sie in der armen Bevölkerung überrepräsentiert sind.
Höhere Mieten
Die Mieten in der Schweiz steigen seit 20 Jahren vor allem deshalb, weil Vermieter:innen und Immobilienverwaltungen daran nicht gehindert werden. Nach Angaben des Mieterverbandes zahlen Miet-Haushalte durchschnittlich 4320 Franken zu viel Miete pro Jahr. Die Höhe dieser missbräuchlichen Mieten belief sich im Jahr 2024 auf 10 Milliarden Franken! Vermieter:innen, insbesondere börsenkotierte Immobilienkonzerne, erhöhen die Preise bei Mieter:innenwechsel bis an die Grenze des Erträglichen oder geben Senkungen des Referenzzinssatzes nicht weiter. Und der Anteil der grossen Unternehmen auf dem Immobilienmarkt wächst weiter. Man kann mit Sicherheit sagen, dass Personen aus dem Asylbereich selten in der Kategorie der Eigentümer vertreten sind. Aber raten Sie mal, welche Partei die letzten Initiativen zum Schutz der Mieter:innenrechte abgelehnt hat?
Zynismus und Verachtung
Der letzte Teil der Begründung der Motionen ist noch pointierter. Die SVP wirft dem Resettlement-Programm vor, nicht die «Fluchtursachen zu bekämpfen oder Hilfe vor Ort zu leisten». Das ist wirklich paradox, wenn man das Abstimmungsverhalten der SVP zum Export von Kriegsmaterial, die Ablehnung von Sanktionen gegen Russland nach dessen Angriffskrieg gegen die Ukraine, die Forderung nach Streichung der Schweizer Hilfe für die UNWRA oder auch die Begeisterung betrachtet, mit der die SVP-Abgeordneten das Budget für Entwicklungshilfe gekürzt haben.
Aber Moment, das ist noch nicht alles: «Resettlement [setzt] ein falsches Signal: Wer es nicht selbst schafft, wird halt eingeflogen. » Wichtiger Hinweis: Für Nicht-EU-Bürger:innen gibt es nur zwei Möglichkeiten, legal in die Schweiz zu kommen: entweder als hochqualifizierte Arbeitskraft oder mit einem humanitären Visum. Die Schweiz stellt durchschnittlich hundert solcher Visa pro Jahr aus (und hat kürzlich ein solches einer afghanischen Familie verweigert, die nicht in Gefahr sei, wenn sie sich an die Regeln der Taliban halten würde). «Wer es nicht selbst schafft», sind also Menschen, die die Wüste von Niger, das Mittelmeer, den Atlantik oder die Balkanroute überqueren. Dieselben Menschen, die die SVP als Illegale bezeichnet, obwohl die Genfer Flüchtlingskonvention irreguläre Grenzübertritte explizit vorsieht.
Schliesslich erinnert die SVP stark an den Frosch, der sich für stärker als den Ochsen hält. Die Neuansiedlung von 800 Geflüchteten pro Jahr fördere «die weltweite Wanderbewegung». Die weltweiten Migrationsbewegungen, genauer gesagt die Suche nach Schutz, betreffen 281 Millionen Menschen, von denen 69 % in einem Nachbarland Zuflucht suchen. Darüber hinaus werden 71 % der Menschen in Ländern mit niedrigem oder mittlerem Einkommen aufgenommen. Europa nimmt nur einen kleinen Teil der Flüchtlinge weltweit auf. Die von der SVP so gefürchteten 400 Personen pro Jahr dürften uns nicht in eine Krise stürzen.
Im Gegensatz dazu sind es die unzähligen parlamentarischen Vorstösse, die in einer ausserordentlichen Session nach der anderen Unwahrheiten, Übertreibungen und eine grobe Missachtung des Völkerrechts verbreiten, die unserer Demokratie langfristig ernsthaft schaden werden, wenn sie nicht gestoppt werden. Wie die anderen von der SVP in dieser Session vertretenen Vorlagen zeigen, dient die Fremdenfeindlichkeit, die sie schüren, als Treibstoff, um die Säulen des Rechtsstaats und damit der Demokratie anzugreifen. Genau dort liegt die Gefahr.