Wir sind seit fünf Monaten in der Schweiz, hört bitte unsere Stimmen.

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zeichnung eines Mensch schreiend

Wir geben hier eine Zeugenaussage weiter, die Aktivist:innen von 3 Rosen gegen Grenzen anvertraut wurde.

 

Hallo, ich bin İdris Ç.. Ich lebte mit meiner Familie in Mardin Midyat Çamyurt. Meine Familie lebte von der Landwirtschaft und Viehzucht. Mein jüngster Bruder Musa Ç. (26- jährig) hatte wie immer seine Tiere auf die Weide gebracht, als er am 21. November 2021 um 15:00 Uhr nachmittags als er nach Hause zurückkehrte, überfallen und erschossen worden ist von Dorfwächtern des türkischen Staates. Sie liessen meinen Bruder dort zurück, wo sie ihn töteten, und stürmten mit der Gendarmerie unser Haus und brachen unsere Türen auf. Sie sagten meiner Mutter und Vater nicht, dass die ihren Sohn getötet haben, sondern wo ihre Kinder seien, und fingen an im ganzen Dorf nach uns zu suchen.

 

Damals machten sie im Dorf eine Durchsage und sagten, dass heute Abend niemand rausgehen solle. Sie meinten sie würden jeden töten, der es tue. Sie riefen einen Traktor zum Unfallort und wollten die Leiche meines Bruders abholen und verschwinden lassen. Als es dunkel wurde, sah eine Frau im Dorf die Leiche meines Bruders und fing an zu schreien und zu weinen. Sie rufte nach den Dorfbewohnern und in diesem Moment kommen die Gendarmerie und die Dorfwächter und erlauben niemandem, sich meinem Bruder zu nähern. Der Krankenwagen kommt um 22:00 Uhr und sie tragen die Leiche meines Bruders ab und sagen, dass er tot ist.

 

In dieser Nacht wurden die drei Dorfwächter festgenommen. Alle drei waren Brüder. Die Namen lauten Ş. A., M. A. und V. A. Am Morgen wurde im Krankenhaus eine Autopsie meines Bruders durchgeführt und es wurde festgestellt, dass mein Bruder durch eine Kugel getötet wurde, die aus der Kalaschnikow-Waffe abgefeuert wurde, die von Ş. A. verwendet wurde und sich im staatlichen Besitz befindet.

 

Während ich am Morgen die Leiche meines Bruders ins Dorf brachte, wurden die Dorfeingänge blockiert und die Gendarmerie und Dorfwächter liessen niemanden ins Dorf.

 

Nach der Beerdigung haben wir uns beschwert. Sie drohten uns oft, wir sollen keine rechtlichen Schritte einleiten. Obwohl wir alle Beweise hatten, hörte uns das Gericht nie zu und sagte uns, wir seien Terroristen. Jedes Mal, wenn wir vor Gericht gingen, waren die Gerichtssäle voller Banden, die uns bedrohten. Vor Gericht sagten sie uns, dass wir ein Leben im Wert einer Kugel hätten und auch dieses Leben würde sie uns nehmen. Es wurde keine Strafe verhängt. Sie liessen zwei Personen frei und kamen mit der Gendarmerie ins Dorf. Sie liefen drei Monate lang mit der Gendarmerie durch das Dorf. Als wir unseren Schmerz nicht mehr ertragen konnten, liessen wir alles im Dorf zurück und zogen nach Mardin Kızıltepe.

 

Ich bin nach Adana gezogen. Am Abend meiner Abreise wurde unser Haus in Kızıltepe von der Polizei durchsucht und sie brachen erneut unsere Türen auf, drangen gewaltsam in unser Haus ein, beschimpften unsere älteren Eltern und fragten um 3 Uhr nachts, wo ihre Kinder seien. In Adana wurden vor dem Haus von mir und meiner Partnerin Schüsse abgefeuert. Mein Bruder, meine Frau und ich beschlossen in die Schweiz zu kommen, um unser Leben zu retten. Wir mussten illegal in die Schweiz kommen. Als wir durch Kroatien fuhren, nahm die Polizei gegen unseren Willen unsere Fingerabdrücke und liess uns dann wieder frei. Wir sind in die Schweiz gekommen und jetzt sollen wir aus der Schweiz abgeschoben werden. Sie versuchen uns nach Kroatien und von dort in die Türkei abzuschieben. Sie werden uns erneut zum Tode verurteilen, wir haben keine Lebenssicherheit in der Türkei. Wir sind seit fünf Monaten in der Schweiz, hört bitte unsere Stimmen.